Veranstaltung auf Französisch mit deutscher Simultanübersetzung.
In den letzten Jahren hat das zeitgenössische Denken die Frage nach dem Universellen immer wieder neu aufgeworfen. In der Philosophie waren es dabei nicht zuletzt einige Reaktionen auf die poststrukturalistische, kulturalistische und relativistische Kritik eines abstrakten Universalismus, die im Kampf gegen eine Proliferation des fake und ein stetiges Entgleiten der Tatsachen zuweilen neue Formen des Realismus hervorbrachten, an die sich immer wieder auch eine Rückkehr zum universalistischen Diskurs der objektiven Wahrheit knüpfte. Doch was möchte ein solches Programm – und ist es überhaupt haltbar? Trägt es nicht die eigentlich drängende Frage des Universellen letztlich im Namen eines plakativen neuen Universalismus zu Grabe? Eine wirkliche Rückkehr zur Frage des Universellen muss keineswegs Rückkehr zu universeller Einfachheit sein. Ganz im Gegenteil: Der Hinweis auf die Gefahr einer extremen Partikularisierung strebt nicht nach der Setzung einer gemeinsamen Norm, sei sie nun wissenschaftlich, ethisch oder linguistisch. Vielmehr muss die Suche nach dem Universellen von jetzt an unter der Bedingung seiner Parikularisierung stattfinden. Eine bipolare Welt, die der Ordnung einer unhinterfragbaren Hegemonie gehorcht, könnte sich auch mit einem einfachen Bild des Universellen begnügen; doch eine multipolare Welt, die sich im Prozess der ständigen Rekomposition befindet, fordert dazu auf, die mannigfaltigen Formen eines kommenden Universellen auf konkrete Weise neu zu denken.
Es diskutieren:
Bruno Karsenti École des Hautes Études en Sciences Sociales
Markus Messling Centre Marc Bloch
Isabelle Thomas-Fogiel Université d’Ottawa
Denis Thouard CNRS | EHESS | Centre Marc Bloch
Die Veranstaltung ist Teil der Reihe dis:positions | Französische Philosophie heute.
Bruno Karsenti ist directeur d’études an der École des hautes études en sciences sociales in Paris. Angesiedelt an der Schnittstelle zwischen politischer Philosophie und Sozialwissenschaften beschäftigt er sich in seinen Arbeiten neben den Werken Émile Durkheims, Marcel Mauss’, Lucien Lévy-Bruhls, Gabriel Tardes und Auguste Comtes auch mit den zeitgenössischen Sozialwissenschaften und deren Bezug zum strukturalistischen Paradigma, zur Phänomenologie und zum Pragmatismus. Karsenti ist Mitherausgeber der Reihe Pratiques théoriques bei PUF, und zu seinen neuesten Publikationen zählen D’une philosophie à l’autre. Les sciences sociales et la politique des modernes (Gallimard, 2013), La question juive des modernes (PUF, 2017) und, gemeinsam mit Cyril Lemieux, Socialisme et sociologie (Éditions de l’EHESS, 2017). 2013 wurde Karsenti für seine Arbeiten mit der Silbermedaille des CNRS ausgezeichnet.
Markus Messling ist stellvertretender Direktor des Centre Marc Bloch in Berlin. Seine Forschung befasst sich unter anderem mit der Verwobenheit von europäischer Textkultur, Sprachanthropologie und Rassenlogik im 19. Jahrhundert und den Herausforderungen, die dieses universalistisch geprägte Erbe an eine zukünftige selbstreflexive Philologie stellt. Zu seinen neuesten Publikationen zählen die Monographie Gebeugter Geist. Rassismus und Erkenntnis in den modernen europäischen Philologien (Wallstein, 2016) sowie – gemeinsam mit Franck Hofmann – der Sammelband Fluchtpunkt. Das Mittelmeer und die europäische Krise (Kadmos, 2017). Messling ist Gründungsherausgeber der Zeitschrift Philological Encounters und Redakteur der Zeitschrift für Ideengeschichte, seine Arbeiten wurden mit dem Tiburtius-Preis der Berliner Hochschulen und dem Nachwuchswissenschaftler-Preis des Landes Brandenburg ausgezeichnet.
Isabelle Thomas-Fogiel ist Professorin für Philosophie an der Universität von Ottawa und an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne. Sie ist Expertin auf dem Gebiet der deutschen Philosophie und Übersetzerin von Fichte, Cassirer und Natorp (wie auch, im Bereich der amerikanischen analytischen Philosophie, Brandom). Zu ihren jüngeren Publikationen zählen unter anderem Le Concept et le Lieu (Cerf, 2008), The Death of Philosophy (Columbia University Press, 2011) und Le lieu de l’universel. Impasse du réalisme dans la philosophie contemporaine (Seuil, 2015). Zudem ist Thomas-Fogiel Chefredakteurin der Revue de métaphysique et de morale.
Denis Thouard ist directeur de recherche des Centre nationale de la recherche scientifique (CNRS) und arbeitet als Forscher am Centre Georg Simmel in Paris sowie am Centre Marc Bloch in Berlin. Nach Arbeiten etwa über Kant, Schleiermacher und Wilhelm von Humboldt gilt sein aktuelles Interesse vor allem heutigen Debatten im Bereich der Hermeneutik sowie einer kritischen Lektüre der soziologischen und philosophischen Schriften Georg Simmels. Zu seinen neuesten Publikationen zählen unter anderem Et toute langue est étrangère. Le projet de Humboldt (Belles Lettres / Encre marine, 2016) sowie auf Deutsch Geteilte Ideen. Philosophische Versuche, den Leser zum Verstehen zu bringen (Matthes und Seitz, 2016).
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